Ich muss mal wieder eine alte Anekdote zum Besten geben, denn exakt heute vor sechs Jahren erreichte mich in meiner damaligen Agentur die E-Mail eines jungen Mannes, der sich um eine Trainee-Stelle bewarb.
Ich antwortete: „Immer her mit den Unterlagen!“, die dann auch umgehend per Mail eintrudelten. Die Bewerbung las sich auf den ersten Blick ganz okay, die Zeugnisse von Schule bzw. Fachhochschule waren in Ordnung, die Noten sogar recht gut. Der Knaller sollte noch kommen.
Stutzig wurde ich nämlich bei einem Praktikumszeugnis, das angeblich von einer Event-Agentur ausgestellt wurde. Das PDF war kein Scan, sondern ganz offensichtlich aus Word exportiert. Das „Logo“ schien eine schlecht gescannte Visitenkarte zu sein und das Brieflayout wirkte gebastelt. Und als Krönung war die Signatur der Agentur-Geschäftsführerin keine richtige Unterschrift, sondern einfach eine Word-Schreibschrift. Und so sah das dann aus (Anonymisierung durch mich).
Das Spiel wiederholte sich bei zwei weiteren Zeugnissen über angebliche Praktika, beide von einem Maik Severin „ausgestellt“. Hier verzichte ich darauf, die Firmenangaben zu schwärzen, denn Herr Severin ist mit seiner Agentur scheinbar ein spezieller Kandidat, wie Google verrät.
Neben dem teils inhaltlichen Quatsch und den Rechtschreibfehlern sei noch auf die Gestaltungselemente in den Zeugnissen hingewiesen. Sagen wir so: Der Layouter dieser Briefe scheint eine Vorliebe für parallel laufende Linien zu haben (Man beachte auch die Linien oben in der E-Mail). Immerhin hat Herr Severin eine andere Handschrift verpasst bekommen als die Eventagentur-Geschäftsführerin.
Nun ja, vermutlich hätte jeder – außer der Stern-Redaktion vielleicht – diese Schummelei erkannt. Der Ordnung halber kontaktierte ich trotzdem die Geschäftsführerin der Eventagentur. Sie bestätigte, dass das Zeugnis nicht von ihr stamme und der Bewerber wohl tatsächlich ein Praktikum bei ihnen angefangen hatte, aber nach wenigen Tagen nicht mehr erschienen war. Diese ominöse Beauty/Miss-Agentur war offenbar ein Kumpel des Bewerbers (anders kann ich es mir nicht erklären), der mir am Telefon irgendwelchen Quatsch erzählte und dass er „ein guter Mann“ sei. Mannmannmann, Jungs…
DAS TELEFONAT
Sherlock Kuchel rief den Bewerber an, so konnte ich das nicht stehen lassen.
Er klang sympathisch, war offenbar ein leidenschaftlicher und sehr guter Fußballer in seiner Region und wirkte nicht doof am Telefon, was sich ja auch durch seinen Notenschnitt zeigte. Ich sagte ihm auf den Kopf zu, dass seine Zeugnisse Fakes sind und dass er sich jetzt ernsthafte Probleme eingehandelt hat, denn die Event-Dame und ich würden ihn nun anzeigen und ohne Gerichtsverhandlung direkt einbuchten lassen. Stichwort „Urkundenfälschung“ und so. Außerdem erzählte ich ihm, was die Haudegen da im Knast mit solch kleinen Unterschriftenfälschern alles anstellen würden (Hey, ein bisschen Angst machen muss ja bei so einer Nummer erlaubt sein.).
Da rutschte ihm das Herz wohl in die Büx‘. Er gab sofort alles zu und wurde so XS mit Hut. Ich wollte dann noch seinen Vater sprechen. Er flehte mich an, ich solle bitte, bitte seinem Vater nichts erzählen, dann kriegt er Riesenärger und „Dresche“. Das Verhältnis wäre nämlich ohnehin problematisch. Keine Ahnung, ob das nun stimmte oder nicht, aber bevor ich da eventuell noch in ein familiäres Wespennest reintrat, beließ ich es dabei. Ich forderte von ihm allerdings eine schriftliche Entschuldigung, die ich dann auch an die Event-Dame weiterleiten würde, um sie davon zu überzeugen, dass sie von einer Anzeige absehen könne (*hüstel*), weil der Kerl reumütig seinen Fehler eingesehen hat und sowas sicherlich nie wieder machen wird.
Die Entschuldigung schickte er am nächsten Tag, ich habe sie heute noch. Und ich hoffe seitdem inständig, dass er seine Lektion aus dieser Story gelernt hat.
UPDATE: Gerade mal gegoogelt. Er ist offenbar 2011 in einer internationalen Eventagentur untergekommen, die auch einen Sitz in Berlin hat. Good Luck, Du kleiner Halunke!