Potzblitz! (Aus der Reihe: Schöne Wörter, die man kaum noch benutzt.)
Vor etwas mehr als einer Woche schlug eine Meldung der Deutschen Post in allen großen Medien auf, nämlich diese hier: Streetscooter: Deutsche Post baut E-Zustellauto
Die Nachricht haute mich schon etwas um. Und zwar weil ich quasi noch in der Entwicklungsphase des Streetscooters geholfen hatte, das „Real-Time Production System“, das für die Herstellung dieses Elektroautos entwickelt wurde, zu erklären.
Rückblick 2013: Ich wurde von dem Verbund aller am Streetscooter beteiligten Unternehmen gebeten, für die Präsentation auf der CeBIT einen Film zu realisieren, der die überaus komplexe Produktionssoftware-Lösung einigermaßen anschaulich darstellt. Man legte mir auch direkt schon ein Drehbuch vor, wie sie sich den Film gedacht hatten. Hier ein kleiner Auszug.
(…)
SPRECHER
„Der Konstrukteur setzt die gewünschte Änderung um checkt diese im PDM-System ein. Dabei wird die Veränderung des Spaceframe farblich hervorgehoben und erleichtert somit seine Arbeit. Automatisch erhält er eine Mitteilung, dass die Änderung statische Auswirkungen hat und ein neuer Querträger verwendet werden muss. Er trifft die Entscheidung, den Querträger als Fremdbezugsteil zu beschaffen. Durch Aufruf einer PDM-Operation, die den Webshop als E-Link im PDM-System eingebettet anzeigt, wechselt der Konstrukteur in den Webshop seines Lieferanten. Dort bestätigt er die Anforderungen für den Querträger mit der Kennung seines gerade bearbeiteten Projekts und der Stücklistenposition für das gesuchte Teil. Schließlich wird per Knopfdruck eine Anfrage aus dem WebShop generiert und per EDI an einen (…oder mehrere…) Lieferanten verschickt.
ANIMATION
Ein Engineering Change Request wird erstellt und eine neue Version der zu bearbeitenden Daten (Baugruppenstruktur, CAD-Modellstruktur) angehängt. In CDB existiert dann ein EC mit Auftragsartikel, Auftragsstückliste und CAD-Modellstruktur.
Der Konstruktionsleiter bekommt jetzt eine Mitteilung über den eingegangenen Konstruktionsauftrag und öffnet Auftragsartikel und Spezifikationsdokument.“
ANIMATION
Film-Clip: Werker steht vor einer Palette mit eingepackten Querträgern an der Rampe. An der Palette ist ein Etikett mit Barcode angebracht. Werker scannt den Barcode mit einem MDE ab.
Vertikale Visualisierung: Die GS1 Standardartikel- und Versandetiketten werden gemeinsam im Großformate eingeblendet.
Horizontale Visualisierung: Eine Nachricht wird im EPCIS erzeugt. Die Nachricht wird über myOF an den Produzenten geschickt. Zoom-out: Übergang nächste Szene.
(…)
So ging das über acht Seiten. Ganz ehrlich: Ich habe nicht ein Wort davon verstanden. Ich erklärte den anwesenden Personen, dass ein Film in dieser Form niemals funktionieren wird. Zum Beweis las ich der Runde den vorgesehenen Sprechertext einfach mal vor – und stoppte dabei die Zeit. 18 Minuten. Niemand guckt sich so lange ein Erklärvideo an. Also war mein Ziel: Auf das Wesentliche konzentrieren, die Bildsprache reduzieren und den ganzen Prozess mehr „abstrakt“ darzustellen.
Heraus gekommen sind knapp drei Minuten, nach denen auch DU verstehst, was die Software leistet. Oder?