Matthias meckert #4: RTL und das #Verafake

Über diesen Beitrag des Neomagazin Royale diskutiert gerade Deutschland. Wieder mal Respekt an Jan Böhmermann und sein Team für diesen Coup. Dabei bin ich persönlich von den gezeigten Tatsachen wenig überrascht. Die elementaren Punkte (z.B. wenig Honorar, keine ausführliche Einsicht in die Verträge, Textvorgaben durch die Redaktion) dokumentiert Holger Kreymeier von Fernsehkritik TV schon seit Jahren und zeigt immer wieder, dass diese Vorgehensweisen der Redaktion zur gängigen Praxis bei der Realisierung von solchen Trash-Formaten gehört.

Was mich allerdings nochmal richtig auf die Palme gebracht hat, ist die Art und Weise, mit der RTL mit dieser Angelegenheit umgeht. Heute mittag hat die RTL-Kommunikationsabteilung nämlich ihr Statement zu der Affäre veröffentlicht. Hier komplett nachzulesen. Aufmerksam wurde ich darauf im Übrigen durch einen Tweet, der wohl witzig sein sollte. Diese „witzige“ Formulierung ist allerdings in meinen Augen völlig fehl am Platz (spiegelt aber schon den Tenor der gesamten Mitteilung wider).

Was soll ich sagen? Dieses „Statement“ ist in meinen Augen eine absolute Frechheit und eine Farce. Ich gehe diese Stellungnahme mal (fast) Satz für Satz durch, um zu erläutern, warum mich das so verärgert – beginnend mit den Aussagen des RTL-Unterhaltungschefs und des Geschäftsführers der verantwortlichen Produktionsfirma.

Statement RTL, Unterhaltungschef Tom Sänger: „Bei der Produktion einer Folge von ‚Schwiegertochter gesucht‘ sind Fehler im Bereich der redaktionellen Sorgfaltspflicht gemacht worden.

Bitte?! Bei „EINER Folge“…?! Klar. Bei allen anderen Folgen wurde selbstverständlich absolut korrekt gearbeitet. Da hat der Böhmermann aber echt unmenschlich viel Glück gehabt, dass er diese eine Folge erwischt hat, in der es zu Fehlern kam.

Dazu stehen wir gemeinsam mit der Produktionsfirma Warner.

Wisst Ihr woran mich dieser Satz erinnert? An Früher, wenn man mit der Clique Mist gebaut hatte und gefragt wurde: „Wer von euch war das?“. Und wenn dann der Hauptschuldige vortrat, weil sonst alle eine Strafe kassiert hätten (und er sich die dann folgende Klassenkeule nicht antun wollte), zieht dieser noch schnell einen weiteren mit nach vorne und sagt: „…aber der Tim hat auch mitgemacht!“

Die Produktion der aktuellen Staffel wird daher von einem neuen Team realisiert.

Neues Team bedeutet nicht neue Produktionsfirma. Es dürfen jetzt nur andere Redakteure ran – aus der selben Produktionsfirma. Als ob die anders arbeiten würden! Sie werden jetzt nur vorsichtiger sein. Aber die Denke bleibt ja die gleiche.

Gemeinsam mit dem Produzenten sorgen wir dafür, dass sich die Fehler nicht wiederholen.

Immerhin reden sie (bislang) nicht von Entlassungen. Vermutlich weil die Produktionsfirma genau weiß, dass dann diese Redakteure direkt beim Arbeitsgericht aufschlagen würden oder einfach mal auspacken würden, dass diese Maßnahmen absolut gängige Praxis sind.

Statement Warner Bros. ITVP Deutschland GmbH, Geschäftsführer René Jamm: „Respekt an Herrn Böhmermann. Wir sind ihm komplett auf den Leim gegangen, denn er hat uns einen sympathischen Schwiegersohn präsentiert.“

Brrrrrr, es schüttelt mich. Was ist das denn für eine Einschleimerei?! Und gleichzeitig ein lapidares Herunterspielen des ganzen Themas. So, als würde Herr Jamm es gar nicht richtig ernst nehmen. Oder empfinde ich das nur so?

Wir haben uns in ihn ‚verliebt‘ und in diesem Fall gleichzeitig unsere redaktionelle Aufsichtspflicht missachtet.

Soll das so etwas wie eine Entschuldigung sein? Ernsthaft?! „Hey, die Figur des Robin war so super! Da konnten wir nicht anders – wir mussten einfach alle Sorgfaltspflichten missachten!“ Herr Jamm, tun Sie mir einen gefallen: Arbeiten Sie mal an Ihren Formulierungen. Die sind eines seriösen Geschäftsmannes in einer solchen Angelegenheit nicht würdig.

Wir werden dafür die Verantwortung übernehmen und inhaltlich sowie personell umstrukturieren. Siehe oben. Neues Team, gleiche Arbeitsweise. Jetzt nur mit mehr Druck „von oben“. In der Haut dieser Redakteure möchte ich jetzt echt nicht stecken.

Hier die Fakten zur Satire im Einzelnen:

Was soll das denn, RTL? „Fakten zur Satire“? Laut Wikipedia ist Satire „eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typisches Stilmittel der Satire ist die Übertreibung.“ Mag sein, dass ich falsch liege, aber für mich ist in dem Neomagazin Royale-Beitrag wenig Übertreibung zu finden. Vielmehr sehe ich, dass Tatsachen (wenn auch unterhaltsam dargeboten) dokumentiert werden. Auch dieser Satz klingt für mich so, als ob ein Thema – oder in diesem Fall ein journalistischer Beitrag – runtergespielt werden soll. War ja nur Satire, nä?

Bezahlung: Die Protagonisten erhalten 150,-€ netto an Aufwandsentschädigung für die Dreharbeiten.

Unglaublich. Bei dieser Info musste ich echt beatmet werden, als ich den Beitrag zum ersten Mal gesehen habe.

Jedem Arbeitslosen – in diesem Fall haben die beiden Schauspieler angegeben, arbeitslos zu sein – würden bei einer höheren Summe die Bezüge wie das Arbeitslosengeld gestrichen. 

Ich bin kein Experte für Arbeitslosengeld. Genau genommen kenne ich mich damit nullkommanull aus – zum Glück, muss ich sagen. Aber man findet recht schnell Darstellungen von Leuten, die in dem Bereich mehr Know-how haben. Und laut denen stimmt diese RTL-Aussage bezüglich der Streichung des Arbeitslosengeldes so nicht.

Wie gesagt: Kann ich nicht vollens beurteilen. Ich frage mich aber: Ja, und?! Wenn man die Protagonisten, sagen wir mal, mit bescheidenen 300 EUR pro Drehtag bezahlen würde, hätten sie bei angenommenen 20 Drehtagen 6.000 EUR verdient. Die Arbeitslosigkeit setzt halt für die Dauer des Drehs aus. Ich bin mir aber relativ sicher, dass die ALU-Empfänger mitunter gut auf ihre Bezüge für ein oder auch zwei Monate verzichten können, wenn sie dafür sechs Mille in der Tasche haben. In der Aufrechnung dürften sie wohl immer noch im Plus sein.

Und sollte ich damit richtig liegen: Was für eine scheiß verlogene Aussage, RTL!

Die Aufwandsentschädigung ist nicht die Motivation der Protagonisten, die im Rahmen einer TV-Sendung einen Partner suchen.

Nein. Selbstverständlich nicht. Die schwimmen ja alle in Geld. Nur mal so: Die Motivation der Protagonisten ist aber sicherlich auch nicht, als völlige Idioten in einer TV-Sendung dargestellt zu werden. Was für Dinger lasst Ihr hier bloß los?! Ihr lebt echt alle in Eurer RTL-Trash-Welt, oder?!

Bei der Gesundheitserklärung wird zumindest mal unumwunden ein Fehler zugegeben. Aber schon beim Vertrag geht’s schon wieder weiter mit der Scheinheiligkeit.

Richtig ist: Der bereits deutlich früher durch die Produktion postalisch verschickte Vertrag kam immer wieder zurück, da die beiden Schauspieler in der von ihnen angemieteten Wohnung nach dem Dreh nicht gemeldet und somit auch nicht erreichbar waren.

Und damit war jegliche Kommunikation nicht mehr möglich, RTL? Sorry, aber so wie es hier dargestellt wird, kann ich das nicht glauben. Dafür halte ich Jan Böhmermann und sein Team für zu intelligent, als dass es an sowas scheitert. Ich bin mir sicher, dass es Telefonnummern oder auch E-Mail-Adressen gab – die dann aber nicht kontaktiert worden sind.

Schildkröten & Puzzle: Wer gern Schildkröten sammelt, bekommt diese oft auch geschenkt. Ob Schildkröten oder Puzzle, es handelt sich um Gastgeschenke, nicht um gezielte Manipulation oder Verdrehung von Tatsachen.

Entschuldigung, aber wie heuchlerisch ist diese Aussage, bitte?! Dazu fällt mir echt nichts mehr ein. Herr Jamm, meinen Sie das ernst? Ganz ehrlich: Über diesen Satz müssen Sie selbst lachen, oder? Denn Sie wissen, dass es anders ist.

In den letzten beiden Punkten werden die zahlreich gemachten Fehler einwandfrei zugegeben. Das macht diese Stellungnahme insgesamt aber nicht besser. In meinen Augen ist sie ein Schlag ins Gesicht der TV-Zuschauer – und zwar mit höhnischem Lachen. Man kann nur hoffen, dass die ganze Nummer noch ein Nachspiel für die Macher dieses TV-Formats haben wird – damit ihnen das Lachen vergeht.

Join the Conversation

1 Comment

  1. says: lothar

    böhmermanns nummer als satire zu bezeichnen ist bemerkenswert. demnach ist günter wallraff war ja einer der größten satiriker überhaupt.

    interessant auch, dass jamm als rechtfertigung wiederholt, was böhmermann als den feuchten traum eines rtl-redakteurs bezeichnet: „na, vera int veen, da seid ihr blind vor liebe, oder? was für ein geiler kandidat.“

    bleibt noch die frage, ob sie den vertrag nach zwei monaten dann an böhmermann geschickt haben, weil die natürlich nicht etwas für alle fälle einen weiterleitungsauftrag bei der post eingerichtet hatten.

    mit anderen worten: fickt ihr euch, wir machen weiter. mit neuem team. selbe scheiße, anderes klo.

Leave a comment
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert