Neulich las ich auf „Deutsche Start-ups“ von der Insolvenz eines Hamburger Start-ups. Ich fand den Bericht vor allem deshalb so interessant, weil der Gründer Schwierigkeiten in der Kommunikation mit seinen Mitarbeitern eingestand. Diese offene Selbstkritik ist ja durchaus selten und ich erzählte davon in einer – sagen wir – „themenaffinen“ WhatsApp-Gruppe. Daraus entwickelte sich eine spannende Diskussion. Vielleicht mögt Ihr ja mitdiskutieren?
In unserem Chat war der Schuldige nämlich zunächst schnell gefunden: „Klar, wie Chefs halt so sind! Reden zu wenig mit ihren Angestellten, geben krude Anweisungen undsoweiterundsofort…“ Ich habe dann angemerkt, dass es nicht immer allein der Chef sein muss. Ich bin mir sehr sicher, dass oftmals auch die Mitarbeiter verkehrt kommunizieren.
„ERKLÄR‘ MAL, MATTHIAS.“
Wir haben heutzutage Social Media-Networks, Smartphones, Apps, E-Mails – Tools, die eigentlich alle ein Ziel verfolgen: Eine stärkere, vereinfachte und schnellere Kommunikation ermöglichen. Aber – tun sie das auch? In meinen Augen ist es nämlich ziemlich offensichtlich, dass wir alle trotz dieser ganzen Möglichkeiten zunehmend schlechter kommunizieren. Warum? Nun – auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt wie so ein alter Motzki klinge, der immer nur ein knurriges „Früher war alles besser!“ entgegnet – muss ich sagen:
Früher war alles besser.
Als ich in das Berufsleben einstieg, gab es zwar schon E-Mails, aber noch nicht lange. Das ganze Internet war damals noch ziemlich neu. Wenn man etwas mit seinem Chef zu besprechen hatte, ging man in der Regel in sein Büro. Oder er rief halt an, wie auch immer. Heute werden dagegen komplette Konversationen, Aufgabenbesprechungen und Abstimmungen per E-Mails geführt – obwohl das Zimmer vom Chef teilweise gleich nebenan ist.
Und diese Entwicklung KANN nicht gut sein. Denn JEDER von uns hat es wohl schon mehr als ein Mal erlebt, dass eine eigene E-Mail oder eine SMS vom Empfänger missverstanden wurde – oder wir selbst diejenigen waren, die etwas in den falschen Hals bekommen haben. Oder beides.
Dafür gibt es einen Grund, und der heißt: Gestik. Gerade wenn ich als Regisseur mit Schauspielern arbeite, bin ich oft selbst überrascht, wie ganz kleine Bewegungen, kurze Blicke, leicht andere Mimik und selbstverständlich auch stimmliche Betonungen der Darsteller einen simplen Satz komplett anders wirken lassen.
Dadurch, dass heutzutage viel über E-Mail, WhatsApp & Co. geschrieben wird, berauben wir uns selbst der Möglichkeit, eine Aussage auch optisch und/oder durch den Klang der Stimme aufzuschlüsseln. Missverständnisse vorprogrammiert. Ziemlich bescheuert von uns eigentlich. Apropos bescheuert: Wann hat das eigentlich angefangen, dass wir lieber 47 Mails über einen ganzen Tag verteilt hin- und herzuschicken, um einen Termin abzustimmen, anstatt mal kurz eine Minute miteinander zu telefonieren?
Ich will Euch noch ein persönliches Beispiel geben.
JEDE DRITTE E-MAIL = EIN ANRUF
Zu Agenturzeiten hatte ich mit einer Mitarbeiterin einen Kunden in Belgien betreut. Unser Pluspunkt: Die Kollegin sprach durch einen Studienaufenthalt in den Niederlanden ziemlich gut Flämisch. Das war für den Kunden durchaus ein entscheidender Grund, uns als Agentur für den deutschen Raum anzuheuern.
Die Zusammenarbeit lief ehrlich gesagt nicht wirklich gut. Ein Grund: Die deutschen Redaktionen funktionieren komplett anders als die belgischen Medien. Dadurch entstanden falsche Erwartungen und immer wieder Missverständnisse auf Kundenseite. Was haben wir (blöderweise) gemacht? Jeden Sachverhalt in langen, nervigen E-Mails erklärt – zwar in flämischer Sprache, aber eben unpersönlich. Und lang und nervig halt.
Viel zu spät hatte ich die Mitarbeiterin dann gebeten: „Jede dritte E-Mail von dir an den Kunden muss ein Anruf sein.“ Da war das Kind aber leider schon in den Brunnen gefallen. Darüber ärgere ich mich heute noch, denn ich bin überzeugt, dass wir durch diese Maßnahme eine stärkere Bindung erreicht hätten und den Kunden nicht nach einem Jahr verloren hätten. Vielleicht ja als Tipp für einige Leser ganz interessant.
BETTER CALL KUCHEL
Darüber hinaus hatte ich mich hier schon mal dezent aufgeregt, dass die Leute mittlerweile oftmals eine Rechtschreibung wie die Sau haben, die durchaus verbesserungswürdig ist. Deshalb greifen sie immer öfter zu ihrem letzten Rettungsanker: Emojis. Geil. Mit den Dingern braucht man noch nicht mal mehr ganze Sätze schreiben – man unterhält sich einfach via Smileys und Herzchen. Kann man natürlich machen. Führt in meinen Augen nur blöderweise dazu, dass viele Menschen heutzutage Ironie in einem Text gar nicht mehr erkennen, wenn da nicht ein debil grinsender, gelber Kreis hinten angefügt ist.
Ich könnte jetzt noch so einige Beispiele auflisten, aber zum einen ist der Text eh so lang geworden, dass ich schon froh bin, wenn Ihr überhaupt bis hierhin gelesen habt. Zum anderen findet ihr sicherlich nach kurzem Nachdenken genügend eigene Situationen, in denen eine direkte Kommunikation einfacher gewesen wäre oder gar Probleme verhindert hätte.
Klar: Ich nutze auch WhatsApp, ich verwende auch mal Emojis (aber selten!), ich schreibe auch E-Mails. Logisch. Manchmal ist es auch schlichtweg notwendig, etwas schwarz auf weiß zu haben. ABER ich telefoniere auch wieder verstärkt mit Freunden, Kollegen, Mitarbeitern und Auftraggebern statt alles schriftlich zu erledigen.
Übrigens hat es auch einen simplen Grund, warum ich meine Kunden in Anlehnung an die – in der Branche gängige – Formulierung als CLIENTS FROM HEAVEN ONLY bezeichne: Denn ich arbeite seit fast fünf Jahren ausschließlich für Kunden, für die ich von Anfang an Sympathie empfinde. Und dafür gibt es ein eindeutiges Indiz: Ich quatsche nämlich jederzeit gern mit jedem Einzelnen von ihnen – ob Telefon oder persönlich.
Und wie sieht Eure Meinung dazu aus? Schreibt es doch mal hier in die Kommentare… Oder ruft einfach an.
Sehr gute Beobachtung.
Ich denke, dass die zunehmende unpersönliche Kommunikation auch mit dem gestiegenen Druck im Berufsleben zusammenhängt.
So kann man schön auch einem evtl. unliebsamen Gespräch aus dem Weg gehen.
Dazu passt auch, dass sich unsere Kinder inzwischen zwar wieder über das Telefon per Sprache austauschen, allerdings mittels Sprachnachricht. Damit umgeht man natürlich die Konfrontation in einem „live“ geführten Gespräch und kann sich seine Antwort in Ruhe ausdenken. Aber gerade solche situativen Austauschsituationen sind doch eigentlich am wertvollsten, auch wenn es manchmal halt auch unbequem ist.
Keine Ahnung, wie sich das in Zukunft entwickeln wird. Wir kennen ja noch die alten Kommunikationswege. Unsere Jugend aber kaum. Selbst eMail benutzt da keiner mehr.
mal ganz platt: wenn alle dem chef lieber zeitaufwändige mails schreiben, als kurz mit ihm zu reden, könnte es daran liegen, dass er ein arsch ist. vielleicht auch nur grumpy. oder was auch immer. vielleicht auch gestresst oder schwer zu erwischen, sein büro liegt am ende eines langes flurs oder ist nicht beheizt. natürlich gehören zu jeder kommunikation, wie zu ihrem scheitern, immer zwei, aber es ist sache des chefs diese kommunikation zu gestalten. telefon hinstellen reicht nicht. offenheit zeigen, zum dialog einladen, gesprächspartner ernst nehmen …
wenn ein unternehmen (ein start up, kein 100.000-leute monster) an der internen kommunikation scheitert, ist das chefschuld. jedes medium hat seine vor und nachteile. eine durchaus triviale feststellung. das weiß jeder, der mal eines dieser telefonate geführt hat, in denen beide abwechselnd gleichzeitig reden und gleichzeitig schweigen. und wenn die leute dem chef seitenlange mails zu kniffligen themen aus dem raum nebenan schreiben, sollte er einfach kurz rüber gehen und fragen, ob er vielleicht mundgeruch hat. (oder gleich aufs maul haun). (IRONIESMILEY MIT SCHRÄGEM CAPPY!!!).
na klar ändert die technik das verhalten. wenn sie geeignet ist. natürlich kommt auch nicht jeder überall mit. mit erscheint es z.b. völlig absurd, irgendein thema auch nur ansatzweise ernsthaft mit zwei daumen zu diskutieren. auf whattsapp. aber tendenziell wird technik erst komplizierter und dann wieder einfacher. vielleicht ist das emoji wirklich ein ernsthafter versuch, die nonverbale komponente im schriftverkehr zu ersetzen und vielleicht kommt da noch was ernstzunehmendes.
Ich glaube, wir haben zu viel „prozessoptimiert“. Früher hat man sich an der Kaffeemaschine getroffen, im Treppenhaus einen Smalltalk gehalten, ja selbst beim Gang zum Kopierer – oder beim Warten auf den Ausdruck. Das gibt es heute nicht mehr. Wir nutzen unsere Arbeitszeit zu 100 % produktiv. Da bleiben viele Dinge unausgesprochen. Vielleicht haben mit mit unserer sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit ein wenig übertrieben….