Ein paar Jährchen habe ich ja schon auf dem Buckel. Und so war ich schon live dabei, als Norddeutschland den wohl spektakulärsten Winter der Geschichte erlebte. Es ist genau 40 Jahre her, dass die Schneekatastrophe ganz Schleswig-Holstein lahm legte (Hier gibt es eine schöne Dokumentation vom NDR).
Nach milden Weihnachtstagen 1978 änderte sich das Wetter ein paar Tage später schlagartig. In der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember setzte heftiger Schneefall ein, der bis zum 3. Januar 1979 nahezu pausenlos anhielt. Durch den anhaltenden Sturm kam es zu massiven Schneeverwehungen, die Straßen und komplette Häuser bedeckten. Züge sind auf offener Strecke einfach stecken geblieben, Autofahrer wurden auf der Autobahn eingeschneit, mussten sich aus den Wagen befreien, harrten in Raststätten aus und warteten auf Hilfe.
Strommasten knickten einfach um, da der Eisregen eine bis zu 30 cm dicke Eis-Ummantelung der Stromkabel verursacht hatte. Somit trug ein Kabel, das von einem Mast zum anderen reichte, ein Gewicht zwischen drei und vier Tonnen. Die Folge: Über 60 Dörfer in Schleswig-Holstein waren ohne Strom. Man konnte weder heizen, kochen, telefonieren, noch TV schauen oder Radio hören. Das bedeutete auch extreme Probleme für die Landwirte, da viele Prozesse elektronisch gesteuert waren, wie bspw. Melkmaschinen, Wärmelampen und Futtermaschinen, Die Bundeswehr musste Menschen mit Panzern retten und Schwangere mit dem Hubschrauber in Krankenhäuser bringen.
Ich habe nur noch ein paar vage Erinnerungen an diesen verrückten Winter und habe als kleiner Mini-Mats natürlich das ganze Ausmaß dieser Katastrophe gar nicht begriffen. Als ich am Morgen des 29. Dezember zu Hause – wir haben damals im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses gewohnt – aus dem Fenster geguckt habe, konnte man von den Autos unten nur noch die Dächer sehen. Der ganze Parkplatz war zugeschneit, es gab keine Fußwege und keine Straßen mehr. Das ganze Viertel war eine einzige „Schneedüne“.
Mühsam mussten die ganzen Hausbewohner gemeinsam Schneisen schaufeln, um überhaupt aus der Haustür zu kommen. Und ich erinnere mich noch an einen Spaziergang mit meiner Mutter ein paar Tage später zum nächsten kleinen Supermarkt. Die Regale im Laden waren fast alle komplett leer. Zum einen wegen der Hamsterkäufe, zum anderen weil die LKWs zum Beliefern schlichtweg nicht durchkamen. Somit musste man mit dem auskommen, was überhaupt noch zu kriegen war.
Eine zweite Schneewelle erreichte Schleswig-Holstein bereits einen Monat später, am 13. Februar 1979, und dauerte bis zum 18. Februar. Das ging offenbar den Behörden zu schnell. Denn obwohl gerade erst eine Katastrophe von heftigem Ausmaß hinter ihnen lag, hatten sie noch keinen neuen Notfallplan für eine Bedrohung durch Schneemassen aufgestellt. Mit anderen Worten: Die ganze Chose ging von vorne los.
Um meine Erinnerungen aufzufrischen und mehr über dieses Ereignis zu erfahren, war ich neulich in Itzehoe. Dort findet nämlich derzeit im Kreismuseum eine Ausstellung über die Schneekatastrophe statt. Direkt unten am Eingang läuft in einem lütten Vorführraum eine kleine Filmcollage von alten Super 8-Schnipseln, die schon einen Eindruck geben, wie es damals in Schleswig-Holstein aussah.
Im oberen Stockwerk sieht man in einem mittelgroßen Ausstellungsraum jede Menge Fotos und einen zweiten Dokumentarfilm von früher, der von einem Amateurfilmer – und echten Norddeutschen (eindeutig zu erkennen am spitzen „S“!) – erstellt wurde. Dazu sind zahlreiche Zeitungsartikel von damals ausgestellt und Erlebnisberichte von Betroffenen und Rettern, zum Beispiel vom Leiter der Spezial-Hubschrauberstaffel, nachzulesen. An einem Pinboard haben Besucher ihre persönlichen Erinnerungen auf Zettel geschrieben und angeheftet.
Ich hatte mir ehrlich gesagt insgesamt etwas mehr erhofft, aber für drei Taler Eintritt sollte man nun auch nicht meckern – und ein paar eindrucksvolle Geschichten gibt es dort durchaus zu sehen und zu lesen. Wer hin geht, sollte sich zum Beispiel mal an der Litfasssäule in der Mitte des Raumes die Story mit dem Käfer durchlesen. Irre.
Die Ausstellung wurde verlängert und ist jetzt noch bis zum 24. März zu besichtigen. Die Öffnungszeiten sind von Montag bis Sonntag jeweils 10-12 Uhr und 14.30 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet 3 Euro für Erwachsene und 1,50 Euro für Kinder. Mehr Infos hier.